So, für alle, die es noch interessiert, hier noch einmal die zentralen Überlegungen, warum ein Punkteregelwerk und wieso kein bereits existierendes (übernommen aus unserem Vowort):

„Kaum etwas ist im LARP (für alle Neulinge: Live-Action-Role-Playing) umstrittener als die Regelwerke. Während der eine am liebsten ganz ohne spielen würde, hätte der andere gerne alles geregelt, was man irgendwie nur regeln kann. Am häufigsten trifft man hier die Unterscheidung zwischen den Anhängern des sogenannten DKWDDK (für Neulinge: Du kannst, was Du darstellen kannst) und den Rollenspielern, die nach einem der bekannteren Regelwerke wie DragonSys oder That’s Live spielen. Die häufig gehörte Behauptung, DKWDDK-Spiel sei ein Spiel ohne Regeln, ist dabei nicht richtig. Eine Con (für Neulinge: von englisch Convention, eine LARP-Veranstaltung) wird nur in den seltensten Fällen ganz ohne vorher festgelegte Regeln gespielt. Treffender wäre vermutlich die Unterscheidung zwischen einem Regelwerk mit Punktesystem und einem ohne. Die meisten „offiziellen“ Regelwerke benutzen Punkte, damit sich der Spieler für seinen Charakter bestimmte Fähigkeiten kaufen kann. DKWDDK-Spieler halten so etwas für nicht erforderlich. Jeder hat die Fähigkeiten, die er darstellen kann oder tatsächlich beherrscht. Dennoch wird zumindest der Kampf auch bei vielen DKWDDK-Spielen mit Punkten geregelt, indem festgelegt wird, wie viel Schaden eine Waffe macht, wie viel Lebenspunkte man besitzt und wie viel Rüstungsschutz die Rüstung hergibt. Der Grund dafür liegt in dem Problem, dass – wäre dies nicht so für alle gleichermaßen bestimmt – die Kämpfer ganz unterschiedliche Vorstellungen davon hätten, nach wie viel Treffern ihr Krieger zu Boden geht. Die Punkte bieten hier gleichsam einen Rahmen, an dem sich alle orientieren können. Magie ist in DKWDDK-Spielen deutlich eingeschränkter, denn Kampfzauber wie ein Feuerball sind nach wohl herrschender Ansicht dieser Spieler nur schwer darstellbar, scheiden also aus. Denn es gilt ja die Regel: Du kannst, was Du darstellen kannst. Im Übrigen ist dieses „freie Spiel“ sehr davon abhängig, dass alle Spieler ohne vorherige Absprache ähnliche Vorstellungen haben, was möglich ist, was nicht und was gute Darstellung bedeutet. Dieses Problem versuchen Punktesysteme zu umgehen, indem sie möglichst viele Fähigkeiten der Spieler in klare Regeln verpacken. Wurden diese von dem Spieler eingehalten und hat er die Fähigkeit schön ausgespielt, d.h. dargestellt, ist ihm der Erfolg sicher und die anderen Spieler haben sich danach zu richten. Dafür sind hier die meisten Anfängercharaktere eingeschränkter in dem, was sie darstellen dürfen.

Wir standen also vor der schwierigen Frage, ob wir nur den Kampf regeln sollen – das schien uns jedenfalls unerlässlich zu sein – und sonst es den Spielern zu überlassen, was möglich ist, oder noch mehr zu regeln. Das unserer Auffassung nach problematischste Gebiet in dieser Hinsicht ist die Magie. Lässt man sie gänzlich ungeregelt, so kann es zu den oben beschriebenen Problemen kommen. Diese betrachten wir als überaus störend. Insbesondere dann, wenn die Spieler auf Zauber von NSCs (für Neulinge: Nichtspielercharaktere) nicht reagieren, kann dies auch empfindlich das Spielgleichgewicht stören. Die nächste Überlegung war, in der Magie nur Rituale zu erlauben, die von der SL (für Neulinge: Spielleitung) abgenommen werden müssen. Dies hätte nach wie vor den Vorteil, dass man auf ein Punktesystem verzichten kann, wenn man das Machtniveau nicht ausufern lassen will. Denn Rituale sind langwierig und ob sie gelingen entscheidet immer noch der Spielleiter. Auf der anderen Seite ist uns aber bekannt, dass für einen Großteil der Spieler Spruchmagie zu einem Magier gehört. Zudem entspricht dies auch einem im Rollenspiel und der einschlägigen Literatur wohl am meisten verbreiteten Bild des Magiers. Schließlich hätte eine solche Regelung eine hohe Personaldecke an Spielleitern erfordert. Daher haben wir uns entschieden, Spruchzauber und Kampfzauber zuzulassen. In diesem Moment hielten wir es aber auch für erforderlich ein Punktesystem einzuführen, um den Magier in seiner Machtfülle zu beschränken. Denn muss er mit einer bestimmten Punktezahl auskommen und sich davon seine Sprüche und seine Magiepunkte (bei uns Quintpunkte genannt) kaufen, muss er auch zwangsläufig selektieren und wird nicht alles können. Das nächste Problem, was nach dieser Entscheidung auftauchte, war, dass Krieger dann entweder keine Punkte bekamen oder wenn, sie mit diesen Punkten nichts anfangen konnten, außer sich magische Fähigkeiten zu kaufen. Weder das eine noch das andere machte Sinn. Daher mussten wir auch den Kriegern eine Möglichkeit bieten, ihre Punkte für sich sinnvoll auszugeben. Wenn wir diese Möglichkeit dem Krieger gaben, mussten wir sie auch anderen Charakteren geben. Zugleich erschien es uns zumindest dort wichtig zu sein, Regeln einzuführen, wo eine Fähigkeit nur schlecht oder gar nicht real angewendet werden kann und auch eine gute Darstellung nichts über das Gelingen aussagt, wie zum Beispiel das Spuren lesen. Hier wird es meistens erforderlich sein, dass ein Spielleiter dem Spieler sagt, was sein Charakter sieht. Schließlich bietet ein Regelwerk nach Punkten unseres Erachtens die bessere Möglichkeit sogenannten Powergamern die Grenzen zu zeigen. Darum haben wir uns also für ein Regelwerk nach Punkten entschieden. Schließlich bleibt als letzte Frage, warum kein schon existierendes Regelwerk verwenden? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Unserer Ansicht nach haben die bekannten Regelwerke die sich aus unseren Überlegungen ergebenden Konsequenzen nicht hinreichend stringent umgesetzt. Um dies zu gewährleisten und ein in sich schlüssiges System zu erhalten, sahen wir uns dazu genötigt, ein eigenes Regelwerk zu entwerfen. Darüber hinaus ermöglicht es uns, allgemein auszudrücken, wie wir uns das Machtniveau der Charaktere vorstellen.

Was also sind die Ziele dieses Regelwerkes? Dieses Regelwerk sollte vor allem allen Spielern einen gemeinsamen Rahmen liefern, indem sich alle auf einem gleichen Machtniveau bewegen. Es stellt quasi die Naturgesetze auf, nach denen unsere Welt funktioniert und macht damit auch die Machtfülle von NSCs berechenbar, die nach den gleichen Regeln spielen. Im Übrigen ist so offen gehalten, dass jede Charakterkombination möglich ist. Nur ein Übercharakter wird damit nicht zu erstellen sein. Denn unserer Ansicht nach macht es weder den anderen Mitspielern noch den NSCs Spaß, wenn sie einem übermächtigen Charakter gegenüberstehen. Obwohl es diese Regeln und ein Punktesystem gibt, soll das dennoch nicht die Darstellung ersetzen, die bei den DKWDDK-Spielern zu recht so hoch gehalten wird. Denn auch nach unserem Regelwerk gilt: Gelungen sind die Aktionen nur, wenn sie gut dargestellt wurden. Die Regeln und die Punkte sollen ja nur einen gemeinsamen Rahmen vorgeben, aber nicht das Rollenspiel ersetzen, das unser Hauptziel ist. Zusammenfassend sei gesagt: Wir haben versucht, das Beste aus beiden Systemen zu vereinen, um optimalen Spaß am gemeinsamen Rollenspiel zu haben. Schließlich wollen wir noch ein weiteres Ziel mit diesem Regelwerk erreichen: Diese Regeln auch Anfängern so verständlich wie möglich zu machen. Dies führt dazu, dass manche Passagen sich wiederholen und in einem anderen Kontext noch einmal erscheinen. Diese Redundanz mag erfahrenen Spielern vielleicht lästig oder unnütz erscheinen, für Anfänger halten wir sie für erforderlich und sinnvoll. Außerdem bietet dieses Regelwerk noch einen weiteren Vorteil: Es steht jedem Spieler kostenlos zur Verfügung.

Unser Regelwerk unterscheidet sich nicht unbeträchtlich von anderen Regelwerken. Dies liegt an dem von uns bevorzugten Spielstil. Da wir auf eher niedrigeren Machtstufen spielen wollen und Magie bei uns etwas Selteneres und Besonderes sein soll, ist Magie schwierig. Außerdem gibt es keine besonderen Rassenvorteile. Wer eine bestimmte Rasse spielen will, kann das natürlich tun, sofern der Charakter zur Con passt, aber er bekommt dafür nichts geschenkt. Ist die Rasse magiebegabt, muss er eben sich diese Magiepunkte kaufen. Aus dem gleichen Grund gibt es bei uns keine besonderen Vorteile oder Nachteile. Wer gerne einen Blinden spielen will, kann das gerne tun. Wir freuen uns über solche stimmungsvollen Charaktere, wenn sie gut dargestellt sind. Aber besondere Vorteile gibt es dafür nicht. Eine weitere Besonderheit stellt unsere Punktebegrenzung dar: Spieler können ihre Charaktere nicht unendlich verbessern, sondern nach einer bestimmten (recht hohen) Anzahl an Contagen ist Schluss. Dies erscheint uns einerseits realistisch, denn es kommt irgendwann ein Zeitpunkt, an dem nicht mehr so gewaltige Lernfortschritte gemacht werden, dass sie noch spieltechnisch ausgedrückt werden müssten. Auf der anderen Seite wird damit die Machtspirale nach oben gestoppt. Ein weiterer Punkt, der uns an anderen Regelsystemen immer gestört hatte, war die geringe Unterscheidung zwischen Priestern und Magiern. Diese haben wir bei uns klar getrennt. Schließlich sei noch einmal gesagt, dass die gute Darstellung absolut im Vordergrund steht, solange die Spieler bei dem, was sie tun, auf dem Teppich bleiben. Wir wollen schönes Rollenspiel machen und sehen. Und dies soll durch dieses Regelwerk nicht verhindert, sondern gefördert werden.“

Abschließend kann man also kaum behaupten, dass wir uns nicht Gedanken über das Regelwerk als solches gemacht hätten und dass es keine Argumente gäbe, die für unser Regelwerk sprechen.

Mfg,

Gunther.

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Wer kämpft, kann verlieren.
Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Bert Brecht



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 24.06.04 05:13.