Neu-Dephilon, einst Wahrzeichen des Traumes des dephilonischen Seekönigreiches eine Kolonie auf dem Festland zu gründen, scheint nach mehreren gescheiterten Versuchen und der fast vollständigen Vernichtung nun vielleicht doch noch eine Chance zu haben aufzublühen.

Die Kolonie unter der Herrschaft der raubeinigen Söldner der Roten Hand gilt zwar immer noch als ein Hort der Gesetzlosen. Scharlatane, Halsabschneider, Schmuggler, gescheiterte Existenzen und Sektierer aller Couleur, alle voran die Endzeitsektierer, die den Lehren des Ketzers Oswyck folgen, nutzen Neu-Dephilon als Zufluchtsstätte, denn die Rote Hand lässt die Menschen gewähren, solange jeder sein Schutzgeld – ahem gemeint ist natürlich die lokale Steuer, den „Lagerzoll“ – entrichtet und nicht zu viel Unfrieden stiftet.

Aber nun scheint Ruhe einzukehren, nachdem letztes Jahr heldenhaft eine große Gruppe fremdländischer Abenteurer im Bündnis mit der Roten Hand und anderen den im Erwachen befindlichen Drachen wieder in einen magischen Schlaf versenken konnten. Zwischen den Echsen unter Szurtass Führung und den Menschen hat das Bündnis Bestand. Die Echsen haben den Menschen einen Teil ihres Gebietes überlassen, die Menschen verzichten darauf, tiefer in den Wald einzudringen. Es wird sogar Handel unter den Völkern betrieben. Cassilda, die Hauptfrau der Roten Hand, wurde scheinbar von Dephilon als Markgräfin, Comtessa der Mark wie es die Dephilonier nennen, eingesetzt und damit die Rote Hand offiziell als Landesmacht anerkannt.

Weithin hat sich auch die Arena „Zum Roten Stier“ einen guten Ruf gemacht und viele interessierte Kämpfer angezogen, die Ruhm und Ehre suchen. Manche sollen diese auch gefunden haben, so zumindest sagt man das. Doch nun gibt es einen ganz besonderen Aufruf des Arenameisters Ostarion, ein Pamphlet das in Dephilon und den Æmberwynschen Grenzlanden zu den Ansgarer Marschen weite Verbreitung findet und von Marktschreiern allerorts verkündet wird:

„Höret! Höret!
Recken, Kämpen, Abenteurer! Im Rund des Roten Stiers erwartet Euch dies Jahr ein ganz besonderer Wettkampf, ein einzigartiger Wettbewerb, ein Spektakulum, wie es hierzulande noch nie gesehen wurde, das Turnier der Turniere, das Turnier zu Ehren der Drachenbezwinger! Noch nie gab es so viel Ruhm, so viel Ehre und so viel Gold zu gewinnen! Für einen lächerlichen Obolus könnt Ihr gegen die besten der besten antreten und der ganzen Welt zeigen, dass Ihr sie bezwingen könnt! So wie die Helden, die letztes Jahr einen wahrhaftigen Drachen bezwungen haben! Ihr müsst Euch nur eine Frage stellen: Habt Ihr den Mut, Euch dieser großartigen Herausforderung zu stellen? Habt Ihr die Kraft und das Geschick, um den Champion des Roten Stiers, den gewaltigen Audenios Carcalla aus dem Hause Oron, zu schlagen?

Gezeichnet, Ostarion, Meister des Roten Stiers“

Trotz des Friedens zwischen Echsen und Menschen ist die Gegend jedoch noch immer nicht ungefährlich. So sollen kleine versprengte Gruppen der Drachen anbetenden Echsen immer noch einen Kleinkrieg gegen die Menschen führen. Und das vergangene Jahr wurden wieder Untote gesichtet. Kenner der unruhigen Geschichte des Landstrichs wissen natürlich zu berichten, dass das große Opfer der Helden vor einigen Jahren, um die Untoten zu bannen, nur eine zeitlich begrenzte Wirkung hatte. Für ein Jahr und einen Tag sollte die Opferung des Geonlids die Untoten zurückhalten. Diese Frist ist längst überschritten. Jedenfalls soll die Magiergilde zu Æmberwyn diesen Berichten durchaus Glauben schenken. Angeblich soll gar ein renommierter Magier entsandt werden, das Phänomen zu studieren und falls möglich diesem Spuk ein Ende zu bereiten, diesmal für immer.

Und der æmberwynsche Kirchenzwist droht auf Neu-Dephilon überzuschwappen. Nachdem vor einem Jahr der ehemalige Fürst Æmberwyns, Fælwyn von der Brücken, von einem Priesterpaar der Kirche des Göttlichen Paares heiliggesprochen wurde, haben die beiden Kirchenoberhäupter im Tempel zu Lyndæl die Heiligsprechung für ungültig erklärt, über das Priesterpaar die Kirchenacht verhängt und sie aus der Kirche ausgeschlossen.

Dies hält die auch als Oswycker bekannten Endzeitsektierer natürlich nicht davon ab, rege nach Neu-Dephilon zu pilgern, um den Ort der Heiligsprechung, des Märtyrertodes des Fürsten und sein Grab zu besuchen. Viele erhoffen sich auch, einen Blick auf die Schädelreliquie zu erhaschen, um selbst vielleicht das „Wunder der blutenden Augen“ zu erleben.

Auf der anderen Seite heißt es, dass eine Abordnung Templer nach Neu-Dephilon aufgebrochen ist. Nicht nur, um die frevlerischen Priester in Gewahrsam zu nehmen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen, sondern auch, um die Reliquie der heiligen Cætlyn sicherzustellen, die das Priesterpaar gestohlen haben soll, um die ketzerische Heiligsprechung durchzuführen. Die Frage ist, ob die Rote Hand es den Templern ohne weiteres gestatten wird in Neu-Dephilon zu schalten und zu walten, wo doch nun ihre Capitana als Comtessa die einzige anerkannte Gerichtsbarkeit darstellt?

Auf der anderen Seite finden sich auch in den æmberwynschen Grenzlanden zu den Ansgarer Marschen einige Schmähschriften wider die Kirche des göttlichen Paares. Dieser Zwist ist also immer noch am Brodeln und das stärker denn je.

Noch immer ungeklärt ist auch der Mord am ehemaligen Fürsten von Æmberwyn, Graf Fælwyn von der Brücken. Der Graf – vom König von Æmberwyn ins Exil verbannt – hatte sich auf dem Neu-Dephilonischen Convent unter Zusicherung der Wahrung des Friedensrechts eingefunden, aber wurde dann unter frevlerischen Bruchs desselben heimtückisch von Unbekannten gemeuchelt. Seither soll sein Geist nun ruhelos umhergehen. Viele Fragen sind offen: Warum erschien der ehemalige Fürst überhaupt auf dem Convent? Was oder wer steckte tatsächlich hinter dem Mord? Vor einem Jahr wurde angeblich sein Testament gefunden, das jedoch durch starke Regenfälle beschädigt war. Niemand scheint genau zu wissen, was darin steht.