Man kann für's Aemberwyn nicht genug danken, aber...

... zur Abwechslung stelle ich die Kritik in den Vordergrund. Die Messlatte fürs Aemberwyn ist hoch.
Deswegen fiel mir (und anderen) auf, dass dieses Mal so manches den gewohnten AE-Standard nicht erreicht hat.

Nämlich:

- Low Power: Aemberwyn war lange eine im besten Sinne "bescheidene" Welt, in der es nicht darum ging, die Welt zu retten, in der es kein allzu krasses Power-Gefälle unter den Spielern und Festrollen gab, in der eher stimmungsvolle als übermächtige (Horden an) NSCs das Herz zum rasen brachten. All das wurde immer wieder (rechtmäßig) am AE gelobt.
Der Bedrohungsgrad durch alte Drachen und Untotenhorden scheint aber die letzten beiden Male enorm gestiegen zu sein, und leider auch das Powerlevel einiger Spieler. Gut, die Wölfe waren z.B. schon lange heftige Typen, denen so leicht keiner das Wasser reichen konnte, aber durch ihre Gruppengröße und relative Eigenständigkeit ist das m.E. einigermaßen gerechtfertigt und nicht allzu störend.

Was ich dagegen besonders schade fand, ist dass z.B. auch Kaeltor* allmählich übermächtig zu werden scheint. Zwar mit IT-Gründen und durch harte Arbeit verdient. Aber die Lagerverteidigung war m.E. doch viel schöner, als Kaeltor v.a. durch deren Koordination in mühsamer Arbeit strahlte - und nicht durch sein Schwert (dass noch andere Fähigkeiten hatte, die mehr zum Alleingang als zur Gruppenarbeit eingeladen haben). Diesmal hatten wohl mehrere Spieler den Eindruck, dass es (im oberen Lager) im Wesentlichen eine One-Man-Army Kaeltor, neben einer weitgehend desorganisierten Gruppe anderer Kämpfer gab.

*) Kaeltor wähle ich v.a. deswegen als Beispiel, weil er mir persönlich sehr sympathisch ist und ich wirklich gerne mit ihm spiele. Deswegen fand ich es besonders bedauerlich, dass dem ambientigen und kooperativen Potential seines Charakters diesmal sein Powerlevel im Weg zu stehen schien.

- Abwechslung: Die Untotenhorden vom AE8 waren mal eine erfrischende Abwechslung zu früheren Veranstaltungen, wo Kämpfer gelegentlich unterfordert waren. Dieses Mal provozierten sie aber schnell die genervte Aussage "nicht schon wieder" (was auch die mangelhaften Reaktionen einiger Spieler verständlicher macht). Die Angriffswellen waren sehr repetitiv (ganz anders als die schönen, überraschenden Hinterhalte beim letztjährigen "Kristalllauf" oder die eigenartigen Angriffe des Nachtmars und seiner Schatten). Auch die anderen Angreifer - Echsen und Schrate - waren weitgehend alte Bekannte, die sich nur geringfügig anders verhielten. (Die neuartigen Steinwesen - insbesondere der Bowling-Troll - waren dagegen m.E. sehr cool, anders und selbst für Kampfunfähige eine Attraktion.)

Ansonsten erinnerte der Plot zu stark an frühere Aemberwyns: die Stelen waren bekannt, die Goldgier war kaum mehr als eine Mischung aus Seuchen-, Laster- und Dämonenplot und der Ablauf der ganzen Veranstaltung wirkte irgendwie vorhersehbar: kleine Scharmützel zu Beginn, der Wald/Sumpf wird gesperrt, die schwarzmagisch-dämonischen Hintergründe werden klar, Bedrohung nimmt zu, Paktierer werden verfolgt... dass die Spieler dann auch einen eher plumpen und unkreativen Lösungsweg (Stele reinigen) für ausreichend gehalten haben verwundert da irgendwie nicht.

- "Kinderfreundlichkeit": Ich finde es sehr schön, dass bei AE grundsätzlich auf Traumata und feinfühlige Personen Rücksicht genommen wird. Tatsächlich will auch ich mich in erster Linie dort entspannen, und obwohl gelegentliches Gruseln bei nächtlichen Ausflügen im Wald prima ist, bietet sich auch die ganze Umgebung sonst (tagsüber) besonders für schöne Fantasy-Eindrücke an. Heißt Aemberwyn nicht sowas wie "Sieg der Schönheit"? *altaemberiagrübel*

Jedenfalls aber halte ich es nur für konsequent, wenn schon zwei jedesmal explizit genannte, traumatisierende Erfahrungen in Aemberwyn nicht existent sind, auch sonst mit Gewalt, Blut, Wahnsinn etc. vorsichtig und sparsam umzugehen. Da gibt es genügend andere Rollenspiele und Medien, wo derartiges seinen festen Platz hat. (Auf plötzliche Geiseltötungen durch Turbanträger hätte man aus mehreren Gründen besser verzichtet.)

Außerdem halte ich die Kultur Aemberwyns, in dem an die Einheit und weitgehende Gleichstellung des göttlichen Paares geglaubt wird, für eine ungeeignete Umgebung für Sexismus, der teilweise sogar jedes historische Beispiel übertrifft (also bitte kommt mir nicht mit: "So war's nun mal im Mittelalter, dagegen gibt's kein Mittel, Alter." ) - Wenn einzelne Charaktere nunmal als Sexisten gestrickt sind, kann man das ja noch kontern (insbesondere wenn es so genial-satirische Charaktere wie der Ritter von Brack sind**), aber gelegentlich schien mir Sexismus eine durch Allgegenwart unbezwingbare Normalität darzustellen, in der ich mich recht unwohl fühle.

**) Der übertreibt's zwar manchmal zu sehr (!), ist aber wenigstens so durchwegs absurd, dass ihn keiner für normal halten sollte...

- Komplexität: Zu komplex fand ich den Plot dieses Mal nicht - im Gegenteil! Das Problem war eher, dass die Nebenplots häufig zu wenig bis nichts geführt haben und kaum mit dem Hauptplot in Verbindung standen. Bisher gab es meist ein faszinierendes Geflecht aus Plotsträngen unterschiedlichster Natur (politisch, religiös, dämonisch, kulturell...), während dieses Mal Politik fast keine und Kultur (Echsen, Dorfbewohner, Dephilonier...) bestenfalls eine Statistenrolle spielte. Vielleicht hab' ich manches nicht bemerkt, aber das sehe ich auch eher als Hinweis darauf, dass es an Querverbindungen zwischen den Plots gefehlt hat - also Quantität statt Komplexität. (Mag Geschmackssache sein, aber ich bevorzuge letztere, weil sie zum Informationsaustausch und Zusammenspiel motiviert.)

- Koordination: Das betrifft nun speziell die SL/Orga und muss natürlich relativiert werden, weil dieses Aemberwyn ja bekanntermaßen mit Zeitdruck, unterbesetzt und relativ kurzfristig auf die Beine gestellt wurde. Dafür haben SL & Orga immer noch erstaunliches geleistet, aber es bleibt unverkennbar, dass die Koordination nicht optimal funktioniert hat und z.T. widersprüchliche Informationen ausgegeben wurden. Sehr deutlich wurden auch die je persönlichen Stärken und Schwächen (oder einfach Neigungen) der SL, weil man oft schon abschätzen konnte "wenn X mitkommt, schaffen wir's nicht" und "wenn Y mitkommt, dauert's länger" etc. - Es ist nur eine Vermutung, aber ich habe das Gefühl, dass jemand gefehlt hat, der die Spielleitung zusammenhält und dem Plot Kontingenz verleiht. Letztendlich ist das aber weniger als Kritik an SL & Orga gemeint, sondern mehr als Bitte (inkl. Lob): Gunther, komm zurück!


Und trotz allem (einschließlich großer Versuchung, einfach mal zu Hause zu entspannen) bereue ich es keineswegs, wieder dabei gewesen zu sein. Aemberwyn war, ist und bleibt unersetzlich (wegen Gelände, Taverne, SL, Hintergrund/Welt, Ambiente, Spielern und NSCs) und ich bin dankbar, dass ihr selbst unter widrigen Umständen weiter macht. Ein Aemberwyn mit ein paar Kritikpunkten ist immer noch besser als kein Aemberwyn - und mir lieber als jede andere Con.

- EEL, der Unkenrufer



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.09.14 17:13.